Annäherung an eine Schmalspurbahn in Siebenbürgen
Siebenbürgen ist eine Region mit langer, vielfältiger Geschichte. Zu der eindrucksvollen Kulturlandschaft im Karpatenbogen gehört die Wusch – eine Bahnstrecke, die derzeit zu neuem Leben erwacht.
Einst führte diese Schmalspurbahn von Sighișoara (Schäßburg) über Agnita (Agnetheln) durch das Harbachtal nach Sibiu (Hermannstadt). Zudem wurde eine Nebenstrecke nach Vurpăr (Burgberg) errichtet. Die Bahn verband wichtige Zentren der deutschsprachigen Siebenbürger Sachsen und erhielt von diesen auch den Spitznamen „Wusch“. In jüngerer Vergangenheit hat sich außerdem die Bezeichnung „Harbachtalbahn“ verbreitet. Von Sibiu nach Agnita fuhren 2001 die letzten Schmalspurzüge der rumänischen Staatsbahn CFR. Doch die Geschichte dieser Bahn war damit noch lange nicht zu Ende.
Heute bemühen sich freiwillige Helferinnen und Helfer, vornehmlich junge Rumäninnen und Rumänen mit internationaler Unterstützung, um eine Reaktivierung der Wusch. Der Abschnitt zwischen Cornățel (Harbachsdorf) und Hosman (Holzmengen) vor den Toren Sibius konnte inzwischen wieder betriebsbereit hergerichtet werden. Weitere Kilometer der Schmalspurstrecke durch das Harbachtal sowie eine Vielzahl von Dampflokomotiven warten jedoch noch darauf wieder „wachgeküsst“ zu werden.
Wieso „die Wusch“?
Woher die Bezeichnung „Wusch“ genau kommt, ist (mir zugegebenermaßen) nicht überliefert. Wahrscheinlich spielt der Kosename, lautmalerisch und ironisch zugleich, wie auch andere Spitznamen auf die Geschwindigkeit der Schmalspurbahn an.
Diesen Namen bekam die Bahn von den Siebenbürger Sachsen, durch deren Siedlungsgebiet die Trasse der Wusch führt. In der rumänischen Sprache werden Schmalspurbahnen meist als „mocănița“ bezeichnet. Dies ist abgeleitet von „mocan“, dem Hirten. Im siebenbürgischen „Hirtenland“ (rum. Țara Mocanilor) fuhr einst auch eine Schmalspurbahn (Turda – Abrud), so dass die Wurzeln dieses Ausdrucks dort zu finden sein dürften. Für die hier beschriebene Schmalspurbahn ist außerdem der Ausdruck „țugul“ überliefert – eine Rumänisierung von „der Zug“. Deutlich wird in jedem Fall die enge Verbindung der verschiedenen Kulturen entlang der Strecke zu „ihrer“ Bahn.
Weder habe ich familiäre Wurzeln in Siebenbürgen, noch habe ich diese Region in jungen Lebensjahren besucht. Dennoch hat mich die enge Verbindung zwischen Kultur- und Technikgeschichte der Schmalspurbahn im Harbachtal schon früh fasziniert. Ende der Neunziger Jahre „stolperte“ ich zum ersten Mal dank Literatur und Landkarte über die Wusch.
Damals war die Strecke Sibiu – Agnita (Hermannstadt – Agnetheln) die letzte aktive 760-mm-Strecke der rumänischen Staatsbahn. Dieser Exotenstatus steigerte mein Interesse zusätzlich. Zu einem Besuch des Auslaufbetriebs hat es jedoch nie gereicht. Es entstand gleichwohl eine erste Internetseite über die Wusch, die nach der Stilllegung ebenso wie das große Vorbild allerdings einschlief.
Inzwischen regt sich wieder Leben auf der Wusch. Im September 2015 konnte ich schließlich bei meinem allerersten Besuch im Harbachtal die Sonderfahrten der Asociația Prietenii Mocăniței in Cornățel (Harbachsdorf) besuchen. Im Mai 2019 startete www.die-wusch.de, um einerseits das laufende Reaktivierungsprojekt im deutschsprachigen Raum bekannter zu machen. Andererseits soll diese Seite aber auch die Erinnerung an die historische Wusch und das einst mit ihr verbundene Leben in dieser Region wachhalten.
Über Hilfe zur weiteren Ergänzung dieser Seiten freue ich mich ebenso wie über Korrekturhinweise. Die Kontaktaufnahme ist über ein Formular sowie per E-Mail möglich. Ein herzliches Dankeschön geht an die bisherigen Unterstützerinnen und Unterstützer von www.die-wusch.de sowie an diejenigen, welche sich vor Ort für die Wiederbelebung der Wusch einsetzen!
Julian Nolte
Zur Nomenklatur auf dieser Webseite
Im Eisenbahnwesen ist es üblich, Ortsnamen in der jeweils aktuellen Landessprache anzugeben. Bei der Wusch ist das also rumänisch. Auch auf heutigen Landkarten findet man üblicherweise die rumänischen Ortsnamen, so dass ich mich entschlossen habe, im überwiegenden diese Bezeichungen zu verwenden, auch wenn das nicht immer historisch korrekt sein mag: Es soll einfach einer besseren Leserlichkeit dienen. Die deutschsprachigen Namen werden in der Regel bei der ersten Nennung auf einer Seite in Klammern ergänzt. Auf ungarische Bezeichnungen wird in geschichtlichen Zusammenhängen verwiesen.
Auch für Loknummern wurde eine Konvention gewählt. In der Literatur findet man für rumänische Lokomotiven in der Regel einen Punkt zwischen Baureihen- und Ordnungsnummer, also „389.001“. Auf den Schildern der Maschinen selbst ist oft ein Strich zu finden, also „389-001“, manchmal jedoch auch gar kein Trennzeichen. Und ungarische Nummern werden üblicherweise mit einem Komma getrennt, also „389,001“. Das ist nicht nur für Eisenbahnlaien verwirrend. Ich habe mich entschieden, auf dieser Seite ein Leerzeichen zwischen Baureihen- und Ordnungsnummer zu verwenden, also „389 001“. Dies ist zwar eine weitere Variation, entspricht aber immerhin der in Deutschland gebräuchlichen Nomenklatur.